Geschichte

Die Lotsenbrüderschaft Weser 2 | Jade

Die deutschen Seelotsenbrüderschaften wurden in ihrer heutigen Form durch das Seelotsgesetz vom 13.10.1954 gebildet. Sie erhielten die Namen ihres jeweiligen Lotsreviers. Das war für uns damals zunächst nur die Außenweser mit der Lotsenbrüderschaft Weser II. der gut 50 Seelotsen angehörten.

Die Seelotsenbrüderschaften verwalten sich im Rahmen des Seelotsgesetzes selbst. Nach außen werden sie durch die oder den von den Lotsinnen und Lotsen auf Zeit gewählten Ältermann vertreten. Finanziert wird die Arbeit der Seelots:innen durch das von den zu lotsenden Schiffen zu entrichtende Lotsgeld.

Die aktuell sieben Seelotsenbrüderschaften sind die Mitglieder der in Hamburg ansässigen Bundeslotsenkammer. Sie ist – ebenso wie die Seelotsenbrüderschaften – eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die der Rechtsaufsicht der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), einer Behörde im Geschäftsbereich des Bundesverkehrsministeriums, unterstehen. Die Bundeslotsenkammer vertritt die Interessen der Lotsenbrüderschaften gegenüber Behörden und Organisationen. Auf internationaler Ebene haben sich die deutschen Seelotsenden der EMPA (European Maritime Pilots‘ Association) und der weltweit agierenden IMPA (International Maritime Pilot`s Association) angeschlossen.

Bereits 1956 änderten zwei seehafenpolitische Entscheidungen die Situation an der Jade und in Wilhelmshaven grundlegend. Der damalige Bundesverkehrsminister Georg Leber gab der Mineralölindustrie die Zusage, eine für Großtanker ausreichende Wassertiefe vorzuhalten. Daraufhin wurde am tiefen Jadefahrwasser mit dem Bau einer Löschbrücke mit drei Löschköpfen für Tanker begonnen. Und im Rahmen der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik nahm man die Planungen für die Wiederherstellung des Marinehafens mit der Doppelschleuse und dem Marinearsenal in Wilhelmshaven auf.

Der dadurch auf der Jade zu erwartende Schiffsverkehr erforderte den Aufbau eines leistungsfähigen Lotsdienstes. Letztlich wurde entschieden, diesen Lotsdienst unserer Lotsenbrüderschaft Weser II zu übertragen. Das Lotsrevier und der Name Weser II wurde dann 1958 um die Jade erweitert. Seither heißt die Lotsenbrüderschaft Weser 2 | Jade. Die Zahl der Lotsen stieg auf über 60.

1958 fand auch ein Ereignis statt, das bis heute vielen musikbegeisterten Menschen in Erinnerung geblieben ist. Am 1. Oktober 1958 traf Elvis Presley – der King of Rock ’n‘ Roll –  auf dem Truppentransporter USS GENERAL RANDALL in Deutschland ein, um seinen Militärdienst in Deutschland abzuleisten. Ein Mitglied unserer Brüderschaft hat das Schiff durch die Außenweser nach Bremerhaven gelotst.

Nach etwa zehnjähriger Entwicklungs- und Probezeit wurde 1965 die Radarnavigation auf der Weser in Betrieb genommen. (siehe Radarberatung)

Im Jahr 1971 wurde uns auch der gesamte Hafenlotsdienst in Wilhelmshaven übertragen – also für die städtischen, die niedersächsischen, die bundeseigenen und die privaten Umschlaganlagen.

Am 25. Mai 1978 fand ein Schiffsanlauf statt, der bei geschichtlichen Rückblicken in Erinnerung gerufen wird. Queen Elizabeth II und ihr Mann Prinz Philipp kamen zu einem Staatsbesuch nach Deutschland und erreichten an Bord der königlichen Yacht BRITANNIA die Columbuskaje in Bremerhaven. Auch bei dieser Fahrt war einer unserer Lotsen im Einsatz.

Im Jahr 1979 gehörten 144 Lotsen unserer Brüderschaft an. Es war die höchste Zahl an Lotsen in unserer bisherigen Geschichte.

Einfluss auf die Zahl der von uns durchzuführenden Lotsungen und damit den Bedarf an Lotsenden hatten und haben neben den Schwankungen der Weltkonjunktur und dem Größenwachstum der Schiffe allerdings auch die zum Teil gravierenden Veränderungen in der Hafenlandschaft und die sich daraus entwickelnden Veränderungen der Verkehrsströme und des Schiffsverkehrs.

So nahm in Bremen 1964 der Neustädter Hafen den Betrieb auf während 1998 der Überseehafen zugeschüttet wurde. Der Europahafen erfuhr im Rahmen der städtebaulichen Planungen zur Überseestadt eine Nutzungsänderung. Das Stahlwerk in Bremen erhielt Umschlaganlagen für Eisenerz.

In Bremerhaven wurden die Dockhäfen im stadtbremischen Überseehafengebiet ausgebaut und nach Beendigung des Erzumschlags für den Umschlag von Kraftfahrzeugen umgerüstet. Die Columbuskaje hat ab Ende der 1950er Jahre den Niedergang des Passagierverkehrs über den Nordatlantik hinnehmen müssen und erlebt seit einigen Jahren mit dem modernen Columbus Cruise Center das Wachstum der Kreuzfahrtbranche – wohl nur vorübergehend ausgebremst durch die Corona-Pandemie. Von 1968 bis 2008 entstand in mehreren Bauabschnitten die fast fünf Kilometer lange Stromkaje für den Containerumschlag.
 
In Brake wuchsen die Hafenkapazitäten mit dem im Jahr 2009 in Betrieb genommenen Niedersachsenkai deutlich.
Der neu errichtete JadeWeserPort in Wilhelmshaven nahm 2012 als Tiefwasser-Containerterminal den Betrieb auf.
 
Heute (2022) umfasst unsere Lotsenbrüderschaft 115 Seelotsen.
 
Anfang 2007 konnten wir unser neues Lotsenhaus in Bremerhaven einweihen. Es steht am Standort des alten Lotsenhauses unweit der Geestemündung vor der Deichlinie und bekommt bei Sturmfluten gelegentlich auch nasse Füße. Genutzt wird es außerdem von unseren Kolleg:innen der Lotsenbrüderschaft Weser I und den Seenotretter:innen der DGzRS-Station. Direkt vor dem Lotsenhaus liegen die Lotsenversetzschiffe und der Seenotrettungskreuzer.
 

Die bereits erwähnte GDWS ist nach dem Seelotsgesetz damit beauftragt, die Infrastruktur für ein funktionierendes Seelotswesen bereitzustellen. Dazu gehören die Lotsenstationen und die Versetzschiffe. Ihr Betrieb ist auf die Bundeslotsenkammer übertragen worden. Die wiederum hat damit den Lotsbetriebsvereins beauftragt. Finanziert wird diese Infrastruktur durch die öffentlich-rechtliche Lotsabgabe, die neben dem Lotsgeld erhoben wird.

Geschichte des Lotswesens

 
Die Geschichte des Lotswesens in Europa reicht weit zurück. Es ist zwar nicht urkundlich nachgewiesen, gilt aber als sicher, dass bereits die Wikinger bei ihren Streifzügen durch die europäischen Küstengewässer bei Bedarf auf die Kenntnisse ortskundiger Fischer zurückgriffen. Sie waren mit dem sehr veränderlichen und damals noch nicht betonnten Fahrwasser in ihren Fischgründen gut vertraut.
 
Im Ostseeraum tätige Lotsen fanden im 13. und 14. Jahrhundert erste urkundliche Erwähnung. In Hamburg gehen die Ursprünge ähnlich weit zurück. In Bremen ist ein Lotse im Jahre 1571 urkundlich erwähnt. Die sich entwickelnde Hanse mit ihrem zunehmenden Seehandel trug das ihre zur Ausbreitung des Lotswesens bei.
Die ersten berufsmäßigen Lotsen kamen auf, als die Einkünfte aus der Lotstätigkeit verlässlicher und höher waren, als die aus der Fischerei. Mit der Zeit schlossen sie sich in Gesellschaften zusammen.
 
Im 17. Jahrhundert wurden dann in verschiedenen Revieren erstmals Lotsenexamen und Lotsen-Reglements von der jeweiligen „Obrigkeit“ eingeführt. Nach dem dreißigjährigen Krieg gab es im Laufe der Zeit im deutschen Nordseeraum zum Teil mehrfach wechselnde Landesherren: die Dänen, Schweden, Oldenburger, Hannoveraner und Preußen sowie die Hansestädte Bremen und Hamburg, zeitweise auch das napoleonische Frankreich.
 
Den Berufslotsen war eine Sicherung ihres Berufsstandes gegen „wilde Lotsen“ und den verschiedenen Landesherren ein funktionierendes Lotswesen wichtig. Beginnend um 1700 kamen bei einigen Landesherren Forderungen nach Durchsetzung von Quarantänebestimmungen durch die Lotsen auf.
 
Über einen langen Zeitraum spielten die Helgoländer Lotsen im Nordseeraum eine bedeutende Rolle. Helgoland stand unter dänischer Herrschaft, war dann von 1807 bis 1890 britische Kronkolonie und wurde schließlich deutsch. Die Helgoländer Lotsen boten ihre Dienste für die Fahrt in die Mündungen von Weser, Elbe und Eider an. Sie litten dann aber stark unter der napoleonischen Kontinentalsperre gegen England (1806 bis 1813) und büßten an Bedeutung ein.
 
Aus dem Helgoländer Lotswesen hat sich allerdings die Bört oder Börte bis zum heutigen Tage erhalten. Nicht nur die Helgoländer Lotsen konkurrierten früher um die Lotsungen und führten eine sogenannte freie Jagd zu den zu lotsenden Schiffen durch. Wer das Schiff zuerst erreichte, durfte mit dem Kapitän über die Konditionen für die Lotsung verhandeln. 1756 wurde dieses System von den Helgoländer Lotsen vollständig umgestellt und eine Reihenfahrt, auch Börtfahrt genannt, eingeführt. Dies hat zur Folge, dass sich kein Lotse „sein Schiff“ und kein Kapitän „seinen Lotsen“ aussuchen kann. Dieses System hat sich schließlich durchgesetzt.
 
Das Lotswesen in der Wesermündung und auf der Jade
 
Auch unsere Lotsenbrüderschaft hat eine äußerst facettenreiche Vorgeschichte, die an dieser Stelle nur schlaglichtartig beleuchtet werden kann.
 
Im 18. Jahrhundert gehörten die Ländereien am Westufer der Unterweser zur Grafschaft Oldenburg, die bis 1774 unter dänischer Herrschaft stand. Das Hauptfahrwasser der Außenweser führte unweit der Küste Butjadingens durch das Fedderwarder Fahrwasser mit seinen Sielhäfen.
 
Bremen konnte zur damaligen Zeit von Seeschiffen wegen der Versandung der Weser nicht erreicht werden. Für Bremen bestimmte Waren mussten bei Brake oder anderorts auf kleinere Schiffe umgeladen werden.
 
Zu den ersten urkundlichen Nachweisen über die Weserlotsen zählt die oldenburgische Quarantäneverordnung vom 2. Oktober 1720. Darin wurde den in Tettens und Brake ansässigen Weserlotsen verboten, pestverdächtige Schiffe zu betreten. Die Pest wütete damals im Mittelmeerraum. Aus der Grafschaft wurde 1774 das Herzogtum und 1815 das Großherzogtum Oldenburg.
 
Ende des 18. Jahrhunderts verschlickte das Fedderwarder Fahrwasser zusehends. Die Tettenser Lotsen siedelten deshalb nach Blexen um. Nach der neuen oldenburgischen Lotsenordnung von 1803 waren die Fedderwarder Lotsen auch zuständig für die Jade mit ihren Sielhäfen.
 
1792 wurde das Wurster Fahrwasser nahe des Ostufers der Weser ausgetonnt und 1825 zum Hauptfahrwasser der Weser bestimmt.
 
Die Ländereien östlich der Weser gehörten zum Kurfürstentum Hannover, das 1814 Königreich wurde. Bereits 1723 wurden in Geestendorf ansässige Lotsen urkundlich erwähnt, die in Konkurrenz zu den oldenburgischen Lotsen tätig waren.
 
1830 nahm der Bremer Haven nördlich der Geestemündung den Betrieb auf. Zwei Jahre später wurde die Hansestadt Bremische Seelotsengesellschaft gegründet. Damit konkurrierten drei Seelotsengesellschaften in der Wesermündung miteinander, eine oldenburgische, eine hannoversche und eine bremische.
 
1853 kaufte Preußen von Oldenburg Ländereien an der Jade, um einen Marinehafen zu errichten. 1869 wurde Stadt und Hafen Wilhelmshaven eingeweiht. Bereits während der Mitte der 1850er Jahre einsetzenden Bauphase waren Lotsen tätig. Bis 1945 waren sie bei unterschiedlich benannten Dienststellen der Marine beschäftigt.
 
Ab 1887 ermöglichten Leuchtfeuer die Nachtfahrt nach Bremerhaven.
 
Nachdem 1921 die Zuständigkeit für die Wasserstraßen von den Ländern auf das Deutsche Reich übergegangen war, bildeten die drei Lotsengesellschaften an der Weser zunächst eine Erwerbsgemeinschaft. 1922 vereinigten sie sich schließlich auf Anregung des Reichsverkehrsministeriums zur Weserlotsengesellschaft.
 
1922 musste aufgrund eines veränderten Strömungsverhaltens das Hauptfahrwasser der Weser vom Wurster Arm in den neuen Fedderwarder Arm verlegt werden.
 
1927 begann eine neue Ära. Der erste Lotsendampfer WESER wurde in Betrieb genommen. Er ersetzte die zuvor eingesetzten Lotsensegler.
 
1939 wurde mit Kriegsbeginn die Lotsenannahmepflicht eingeführt.
 
1940 kaufte das Deutsche Reich den Lotsendampfer und wurde auch Eigentümerin der übrigen Lotsbetriebsmittel. 1942 gab eine neue Satzung der Lotsenbrüderschaft eine gewisse Selbstverwaltung. Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges umfasste die Lotsenbrüderschaft noch 36 Seelotsen. Die Militärregierung übernahm dann zunächst die Aufgaben der Reichsregierung.